„Wir bleiben wachsam“
Interview mit Einrichtungsleiter Stefan Kundelov zur aktuellen Situation
Herr Kundelov, die Pandemie dauert schon mehr als 1 Jahr. Wie geht es Ihnen und den Bewohnern?
Wenn ich sagen würde, uns geht es bestens, würde ich nicht ganz ehrlich sein. Die Pandemie und ihre Dauer erfordert weiterhin viel Kraft und Einsatz von uns. Unser Hausgemeinschaftskonzept mit vielen gemeinsamen hauswirtschaftlichen und sozialen Tagesaktivitäten lebt von der Nähe, dem Zusammentreffen und der Gemeinschaft. Abstand, Hygiene und weniger Kontakte untereinander, gerade während der ersten Welle, waren für die Bewohner schwer. Vor allem die reduzierten Besuchsmöglichkeiten. Früher kamen die Angehörigen wie es ihnen gefiel, das ist von uns auch so gewünscht. Auf einmal durften sie nicht kommen, nicht ihre Liebsten besuchen. Das war hart.
Und trotzdem, auch wenn wir müde sind, wir haben uns längst darauf eingestellt, es funktioniert gut. Wir haben das Gefühl, alles im Griff zu haben, soweit man das überhaupt sagen kann. Wir lassen uns nicht unterkriegen.
Wie sind Sie am Anfang damit umgegangen?
Mir war von Anfang an klar, das wird nicht in drei Monaten vorbei sein. Es wird ein harter, langer Marathon und wir müssen uns die Kräfte einteilen. Meine Leitungskräfte und ich haben uns zusammengesetzt und überlegt, was wir brauchen werden. Schnell waren die Prioritäten klar.
- Die Bewohner müssen um jeden Preis geschützt werden, wir dürfen auf gar keinen Fall zulassen, dass der Virus einen Weg in die Einrichtung findet. Auch wenn das bedeutet, dass wir den Zugang zur Einrichtung einschränken müssen.
- Die Mitarbeiter brauchen das Gefühl der Sicherheit. Sie dürfen sich nicht allein gelassen fühlen. In Krisenzeiten mit täglich neuen und ungeklärten Fragen muss die Leitung den Weg zeigen, da sein, schnell handeln.
- Angehörige dürfen nicht das Gefühl haben, sie sind außen vor. Sie müssen jederzeit wissen, wie es ihren Liebsten geht.
Und die Kommunikation musste verstärkt, ja sogar ausgebaut werden. Wir haben schnell Tablets für die Kommunikation beschafft, waren eines der ersten Heime, die diese für Videogespräche zwischen Bewohnern und Angehörigen eingesetzt haben. Ich schreibe regelmäßig Rundmails an die Angehörigen, mit wichtigen Infos und Regelungen, inzwischen haben wir fast schon 30 Rundbriefe per Mail versendet. Dadurch sind viele Missverständnisse gar nicht erst entstanden. In der Mitarbeiterschaft haben wir auch über Mails und in einer internen Messenger-Gruppe die wichtigsten Infos sofort weitergegeben, sodass unsere Mitarbeiter immer wussten, was zu tun ist. Diese Handlungssicherheit und das Gefühl der Sicherheit halte ich für enorm wichtig. Wir können uns glücklich schätzen, dass wir so verantwortungsvolle und verlässliche Mitarbeiter haben. Aber nichts läuft von allein, sie brauchen gerade in einer Krisensituation Antworten und Sicherheit. An dieser Stelle möchte ich auch öffentlich meinen Mitarbeitern und vor allem meinen Leitungskräften Dankeschön sagen!
Sie haben bis jetzt keinen Ausbruch gehabt. Wie erklären Sie das?
Ich denke, weil wir unsere Prioritäten immer vor Augen hatten und unser Handeln danach ausgerichtet haben. Wir waren immer wachsam, schnell und streng beim Umsetzen der gesetzlichen Regelungen betreffend der Pflegeheime. Und wir haben versucht, einen Schritt schneller zu sein. Während der ersten Welle im Frühjahr 2020 waren wir eines der ersten Häuser, das seine Türen geschlossen hat. Im Gegenzug setzten wir auf offene Kommunikation mit den Angehörigen und Freiwilligkeit. Wir hatten wir zu keinem Zeitpunkt Probleme mit den Angehörigen, weil sie auf unserer Seite standen. Danach haben wir stufenweise die Schließung gelockert, im Einklang mit den gesetzlichen Änderungen. Wir haben schnell die Besuchsregelungen umgesetzt. Seit den ersten Lockerungen nach dem ersten Shutdown können nun Termine online gebucht werden. Das spart uns Zeit und ist für die Angehörigen unkompliziert. Wir haben sehr schnell zusätzliches Personal für die Besuchsbegleitung eingestellt, sogenannte Besuchslotsen. Sie sind die Ansprechpartner für die Besucher, empfangen und begleiten sie bis ins Zimmer. So kann die Pflege entlastet werden und die Angehörigen sind auch zufrieden.
Während der zweiten Welle waren wir auch eines der ersten Pflegeheime, welches die Schnelltests zur Sicherheit aller eingesetzt hat. Die Angehörigen sowie die sonstigen Besucher waren von Anfang an damit einverstanden. Wir konnten Personal einstellen, das sich nur um die Durchführung der Schnelltest bei den Besuchern kümmert. Das war ebenfalls eine enorme Erleichterung, denn zuvor hatten wir Leitungskräfte diese Aufgabe übernommen.
Der Verzicht auf soziale Kontakte ist für viele das Schlimmste an der Pandemie, insbesondere für die Bewohner einer Pflegeinrichtung. Wie sehen die Besuchsregelungen bei Ihnen aus? Können Bewohner Besuche erhalten?
Ja, aktuell zweimal pro Woche mit max. 2 Personen. Voraussetzung ist ein negativer Schnelltest, der in 95 % der Fälle bei uns vor dem Besuch durchgeführt wird.
Ihre Einrichtung wurde im Dezember geimpft. Wie hoch war die Beteiligung? Gibt es dadurch Lockerungen?
Ja, wir haben am 19.1. die zweite Inektion des Biontech-Impfstoffs bekommen. Alle haben es gut vertragen. Bei den Bewohnern haben wir eine Quote von 98%, bei den Mitarbeitern aus Bad Zwesten waren es sensationelle 80 %. Da fiel uns ein großer Stein vom Herzen. Es ist zwar nicht das Ende des Marathons, aber ein sehr wichtiges Zwischenziel, ein Meilenstein.
Wie ist der Ausblick nach vorne? Wie geht es weiter?
Die ersten Berichte über die Wirksamkeit des Impfstoffs sind sehr hoffnungsvoll. Trotzdem behalten wir die aktuellen Schutzmaßnahmen bei. Zum einem sind sie nicht von der Politik zurückgenommen worden, zum anderen machen sie weiterhin Sinn, weil die Virus-Mutanten mit Respekt zu betrachten sind. Wir bleiben wachsam und bei unseren drei obengenannten Prioritäten.