Ein Tag in der Coronakrise: Einrichtungsleiterin Jutta Maikranz berichtet aus dem AWO-Altenzentrum Wildeck-Obersuhl

In diesem Moment, in einer unerwartet entspannten Minute, kurz vor dem Öffnen der ersten Mails ist es hier relativ ruhig. Aber dann geht es auf einmal los: neue Verordnungen, jemand hat gehustet, besorgte Angehörige erkundigen sich – und ich bin wieder voll da für alle. Immer ein offenes Ohr für alle Anliegen – also lasse ich liegen, was ich gerade vorhatte, wenn ich in Wohnbereichen oder am Telefon gebraucht werde. Meine Aufgabe ist es oft, zu beruhigen, zu informieren und zu gewichten: was ist jetzt das Wichtigste und Dringendste. Wie ist das zu schaffen?

Morgens drehe ich eine kleine Runde in „meiner“ Einrichtung für einen ersten Überblick. Kurzer Check im Team. Den eröffne ich mit täglich einem lustigen Text von Heinz Erhardt, „beim Aufräumen gefunden“ – das lässt alle lächeln. Und wenn es tagsüber mal frustig oder anstrengend ist, gehe ich in einen Wohnbereich, um mit Bewohnern und Beschäftigten mein persönliches Mutmach-Lied anzustimmen. „Musik ist wie die Sonne“; das kenne ich aus dem Gesangsverein. Nun lernen es alle in der Einrichtung als „unser“ Lied, das wir irgendwann –wenn es wieder möglich ist – so richtig zusammen „aufführen“ wollen.

Einrichtungsleiterin Jutta Maikranz

Einrichtungsleiterin Jutta Maikranz: Stärkend finden alle im Haus, dass „von außen“ so viel gute Resonanz kommt: 140 selbst genähte Mundschutze trafen ein, Angehörige sprechen Anerkennung aus, regelmäßig ruft die Pfarrerin an.

Ihre schriftliche „Andacht to go“, speziell für die AWO-Einrichtung geschrieben, traf auf rege Beteiligung – auch nicht-gläubige Mitarbeiter betätigten sich als Laien-Prediger für die zumeist religiös gebundenen Bewohner.

Viele Initiativen gelten der sinnvollen Freizeitbeschäftigung und der Kontaktpflege, auch ohne Besuch. Besuchsfenster, Gespräche vom Balkon, Tablet-Telefonate, Hörspiele und Postkarten – ich bin bewegt davon, wie aufmerksam und einfallsreich meine Kolleginnen und Kollegen für das richtige Angebot sorgen. „Herzallerliebst“ ist das – immer mit der Fürsorge verbunden, „wem geht’s nicht so gut, was können wir machen?“

Und alle arbeiten mit Mundschutz, was neben der körperlichen auch eine mentale Seite hat. Es ist schwer, dass wir uns nicht vollständig ins Gesicht sehen können; das tut auch weh. Nähe drückt sich nun anders aus; sie ist nicht mehr selbstverständlich – wird zur bewusst wahrgenommenen Geste.

Mit all meinen Themen konnte ich von der telefonischen Beratung profitieren, die die AWO-Geschäftsstelle ihren Leitungskräften anbietet. Das war sehr hilfreich – ich denke zwischendurch immer wieder an die Tipps und setze sie auch um.

Ich möchte in unserem Haus als lebendiges Vorbild wirken: mit Humor, Gottvertrauen und Einsicht in die wichtigen Bedürfnisse, die der uns Anvertrauten und unsere eigenen.